Dieser Umzug fühlt sich an, wie Urlaub machen. Zumindest in den ersten zwei Wochen. Denn schließlich bin ich mit einem Flugzeug und meinen Koffern in ein anderes Land „gereist“, ohne Umzugkartons und Möbel. Dass unsere Wohngegend aussieht wie eine amerikanischer Centerpark und hier eine andere Sprache gesprochen wird, verstärkt nochmal das „Urlaubsgefühl“.
Als Max mich vom Flughafen abholt und wir in die piekfein gepflegte Wohnsiedlung einfahren, bin ich beeindruckt. Saftig grüne dichte Rasenflächen, Blumenbeete mit jeweils ausgewählten Bäumen, Beetbegrenzungen, mehrere Basketball- und ein Tennisplatz. Nirgends liegt Müll oder alte Kaugummis auf den Gehwegen. Kein Laub und keine Schlaglöcher. In den nächsten Tagen entdecken wir mehrere Poolanlagen, ein Fitnessraum, einen Spieleraum, den Grillplatz, einen Hundespielplatz und den Postraum, wo unser Paket in ein Schließfach gelegt wird, falls keiner daheim ist.

Wir wohnen in einer sogenannten Community. Das heißt, die Wohnsiedlung ist in Hand von einer Leasingagentur, die zusätzlich zur Wohnung noch einige Leistungen anbietet. Zusätzlich zu den oben genannten Freizeitmöglichkeiten, wird der müll so gut wie jeden Tag abgeholt (den man hier aber nur vor die Wohnungstür in vorgesehene Mülltonnen wirft) die Gärtner pflegen die Parkanlage, ein paar angestellte Handwerker düsen mit Golfcaddys umher und es gibt einen Sicherheitsdienst, der nachts auf die Wohnanlage aufpasst.
Wir fahren einkaufen in einer der großen Supermärkte und ich hatte schon fast von unserem letzten Urlaub in Seattle vergessen, in welchen Mengen die Produkte angeboten werden. Einen xxl Sack Chips kannst du mit einem Sacke Blumenerde vergleichen. Milch wird gewöhnlich in einer Galone (also 3Liter) gekauft. Und natürlich gibt es für jeden Supermarkt eine App, wo jedes Produkt mit der Regalnummer verzeichnet ist. Hat ein bisschen was von ikea, finde ich aber sehr praktisch. An der Kasse ist es nun endlich entspannt. Kein Wettrennen gegen den Kassierer mehr, sondern ein lockerer Plausch während ein anderer Mitarbeiter in Seelenruhe deinen Einkaufswagen einräumt.
Die Straßen durch unseren Ort sind sehr breit, es gibt meistens zwei Spuren auf jeder Seite und in der Mitte oftmals eine Spur für Abieger (welche such Suizidlane genannt wird). Der Highway, also die Autobahn ist meist sechsspurig, wovon die linke Spur meist entweder eine Carpool Lane (für Busse oder Fahrgemeinschaften), eine toll Lane (kostenpflichtig) oder eine fast lane (schnellverbindung mit weniger Ausfahrten) ist. An einer roten Ampel darfst du als Rechtsabbieger fahren, wenn kein Verkehr kreuzt. So etwas wie TÜV oder spezielle Vorschriften gibt es hier nicht, weshalb wir hier viele kaputte Autos und Anbauten an Autos auf den Straßen sehen.
Der Komfort ist den Amerikanern auf jeden Fall sehr wichtig. Ich komme zu vielen Terminen oder Ausflügen hin, ohne mir vorher viele Gedanken über die Parkplatzsituation zu machen, denn meistens kann ich direkt vor dem Geschäft oder ziemlich in der Nähe parken. Mir fehlt ein wenig der Flair einer Fußgängerzone, die gibt es hier selten bis gar nicht. Häufig gibt es dafür öffentliche Toiletten und Picknickplätze. Kostenloses Wasser ist überall eine Selbstverständlichkeit. Das ist schön, denn so trinke ich endlich mal genug!
Es ist schon einiges anders hier…aber vor allem das Essen und die Mentalität. Gemüse und Obst gibt es hier natürlich auch, eine Avocado kostet nur 70cent und leckeres Brot kaufen wir auch gerne mal (kein Weißbrot, sondern knuspriges Vollkornbrot, wie in Deutschland). Ein Stück Kuchen oder Teilchen schmeckt uns hier bisher kaum bis gar nicht. Denn auch wenn wir eigentlich gerne süßes essen, nur Zucker im Mund ist dann auch nicht so toll. 🙈

Es ist schon sehr ungewohnt in einem Geschäft von Mitarbeitern, die mir begegnen, freudestrahlend mit einem „Hiii, how are you doing!“ begrüßt zu werden. Irritiert antworte ich darauf. Aber eigentlich ist es eher keine Frage auf die eine Antwort erwartet wird. Sondern eine Floskel, um jemanden zu grüßen. Was ich langsam anfange zu lernen ist, dass alle Menschen hier (höflich) freundlich zu mir sind und wer keinen Kontakt haben will, grüßt sein Gegenüber einfach nicht. Das ist aber sehr selten. Wenn jemand seine Freude über etwas ausdrückt oder dich lobt, kommt dies meist mit einer Euphorie und “übertriebener” Mimik daher, dass ich meist irritiert bin, ob dies jetzt ernst gemeint ist. Normalerweise bin ich es gewohnt, Menschen anhand ihrer Reaktionen einschätzen zu können. Nun fange ich gefühlt von Neuem an, denn die Gesellschaft hat hier andere Umgangsformen.
Und obwohl wir vieles mit den Amerikanern gemeinsam haben (z.b. ähnlicher Kleidungsstil, im Sommer grillen, Weihnachten feiern, Wochenmärkte,…), entdecke ich von Woche zu Woche neue Sachen im Vergleich zu unserer Kultur. Bald geht’s dann weiter mit Teil 2. Bis dahin “have a good one!”