Bevor wir ausgewandert sind, haben wir geheiratet.
Von dem Geld unserer Hochzeit haben wir uns einen großen Wunsch erfüllt und einen Bootsführerschein gemacht. Obwohl wir eigentlich gerade dabei waren unsere Auswanderung vorzubereiten, lernten wir für den SBF (Sportbootführerschein)…Man könnte eigentlich meinen, dass es genug Dinge gab, die zu erledigen waren. Wieso dann noch so einen zusätzlichen Stress erzeugen?!
Nun, vermutlich sind wir ein wenig romantisch veranlagt. Da liegste abends im Bett, kannst nicht einschlafen und das Einzige was dich zu beruhigen scheint, sind Wellengeräusche und die Vorstellung von einem schwankenden Boot, dass dich in den Schlaf wiegt. Ich weiß nicht mehr genau, wann der Bootstraum bei mir angefangen hat…nur dass ich es immer geliebt habe, auf Booten und am Meer zu sein. Vermutlich habe ich dieses Gen ein wenig von meinen Eltern geerbt, die bis vor kurzem auch noch gesegelt sind. Ich legte mir sogar eine Kopie von einer älteren Version des Bootsscheins auf meinen Nachtisch. Eines Tages, so dachte ich, werden wir den Schein machen!
So viel zur persönlichen Vorliebe. Praktisch gibt es auch einen wichtigen Punkt: Der SBF ist international gültig und wir spielten ja auch schon seit einem Jahr mit dem Gedanken den Schein zu machen.
Und nun war es wirklich so weit! Wir hatten uns schon Monate zuvor die App Bootsprüfung.de heruntergeladen und waren mit einiger Theorie schon vertraut. Diesmal wollten wir aber so richtig loslegen und so buchten wir einen Onlinekurs inkl. Fahrstunden. Schließlich saßen wir dann auf unseren Campingstühlen im Wohnzimmer und büffelten Schallsignale, Navigation mit Seekarten, Knoten, Lichter…

Mit den praktischen Fahrstunden und der Fahrprüfung wurde es dann nochmal richtig knapp. Wir telefonierten mit der Bootsschule, organisierten auf die Schnelle einen Termin beim Hausarzt, der zum Glück auch Sportarzt war und uns pro forma auch für fit genug bestätigte. Und dann trainierten wir bis kurz vor der Prüfung auf dem Rhein und absolvierten diese ein Wochenende vor Max Abflug nach Seattle. Selbst die praktische Prüfung war sehr hektisch. Dazu muss ich erklären: Unser Fahrlehrer war eher eine nordische Gelassenheit. Der Prüfer aber eher eine aufgedrehte Mainzer Frohnatur. Der kleine rundliche Mann hüpft an Board und während das Nordlicht sich noch vorstellte, drängte der Mainzer, die Stunde zu beginnen. “Was isst Ihre Frau am liebsten?” fragt er Max. “Pizza?! Aha. So dann gibt’s das heute Abend! Ablegen!” Während einer am Steuer sitzt und Manöver fährt, wird der andere auf Knotensicherheit und weiteres Theoriewissen abgefragt. Multi Tasking ist mit Sicherheit eines der Stärken des Prüfers. So schnell wie die Prüfung anfangt, so schnell hört sie dann auch schon wieder auf.
Zurück an der Marina drückt uns der Mainzer seine Unterlagen von den anderen Prüflingen in die Hand und lässt uns überwältigt und verdutzt an der Marina zurück. Was bitte war denn das?! frage ich mich. Doch wir haben keine Zeit unsere Stunde Revue passieren zu lassen und fahren mit den Unterlagen auf dem direkten Weg zur theoretischen Prüfung. Dort sitzen wir an kleinen Tischen in einer Turnhalle. Ich fühle mich um 10 Jahre in meine Abiturprüfung zurück versetzt. Um mich herum etwa 40 andere, die in ihren Bögen blättern. Ein lautes Klappern, wenn ich meinen Navigationszirkel ablege. Jemand steht auf und gibt seinen Bogen ab. Hektik baut sich bei mir auf. Ich weiß zwar, dass unterschiedliche Bootsscheine geprüft werden, dennoch macht mich jedes Geräusch und jede Bewegung völlig nervös. Ein drittes Mal drüber gelesen, dann abgeben und mit den anderen vor der Turnhalle warten. Ich gehe mit Max die Fragen durch, wir suchen in der App nach der richtigen Lösung und versuchen uns selbst zu beantworten, ob wir möglicherweise bestanden haben.
Dann öffnet sich die Tür, ein Mann tritt heraus und ruft die ersehnte Nachricht: “An alle Wartenden, ihr habt Bestanden!” Erleichtert liegen Max und ich uns in den Armen. All die Lernerei und die Aufregung haben sich gelohnt. Wir dürfen nun auf aller Welt mit dem Boot fahren. Und vielleicht eines Tages rufen wir dann auf unserem eigenen Boot “Leinen los!”